Dass die Einführung der Schüler/innen in die Standardsprache eine zentrale Aufgabe des herkunftssprachlichen Unterrichts ist, wurde schon oben ausgeführt. Dies soll allerdings die Beschäftigung mit den anderen Varietäten – insbesondere mit den Dialekten, die die Schüler/innen als Familiensprache mitbringen – nicht ausschliessen. Vielmehr führt die Tatsache, dass unsere Sprache verschiedene Varietäten umfasst, zu einer Fülle von spannenden, didaktisch aktuellen Lernanlässen. Sie folgen den Prinzipien des entdeckenden, handelnden und kreativen Lernens und beziehen die Vorkenntnisse und Ressourcen der Schüler/innen optimal ein.

Wenn die Schüler/innen in diesem Sinne beispielsweise Texte aus dem Dialekt in die Standardsprache übersetzen (oder wenn sie sich Szenen ausdenken, in denen die eine oder andere Sprachform passend resp. deplatziert ist), werden sie gemäss einem ‚kontrastiven‘ Ansatz mit den Besonderheiten und Normen der Standardsprache auf eine eigenaktive, entdeckende Weise vertraut, die der blossen Vermittlung von Regeln und Normen deutlich überlegen ist. Viele unserer Unterrichtsvorschläge regen Lernanlässe dieser Art an; vgl. z. B. 1.1–1.3, 2.2, 3.1–3.3. Auch bei dieser Form des Unterrichts spielt die Lehrerin/der Lehrer selbstverständlich eine wichtige Rolle: Einerseits bei der Planung und Moderation der entsprechenden Lernanlässe, andererseits als kompetente Instanz z. B. bei Fragen der standardsprachlichen Normen und des adäquaten Gebrauchs der beiden Varietäten.

Eine Reihe von konkreten Empfehlungen für einen Unterricht, der das Sprachbewusstsein und die Orientierung zwischen Dialekt und Standardsprache fördert und zugleich das Sprachkönnen vor allem in der Standardsprache auf- und ausbaut, listen wir im Kapitel 7 auf. Diese Punkte gelten übrigens weitgehend analog für den Deutschunterricht in dialektalen Gebieten wie z. B. der deutschsprachigen Schweiz, und zwar bei der Einführung in die deutsche Standardsprache. Allerdings ist hier die dialektale Vielfalt der Schüler/innen meist geringer als im herkunftssprachlichen Unterricht, der oft von Schüler/innen aus verschiedenen Dialektregionen besucht wird.

Zu ergänzen bleibt, dass der eigentliche Grammatikunterricht – das Vermitteln und Trainieren der Normen der Standardsprache – nicht Thema dieses Heftes ist. Die Inhalte dieses Bereichs sind stark von den einzelnen Sprachen geprägt; übergreifend ist nur, dass sich ihre Vermittlung ebenfalls an den Prinzipien eines schülerorientierten, handelnden und entdeckenden Unterrichts orientieren soll. (Zu den Besonderheiten einer Reihe von häufigen Sprachen der Migration siehe Schader (2013): Deine Sprache – meine Sprache; vgl. Literaturverzeichnis).


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