Basil Schader


1. Einleitung; zur Bedeutung des Planens

Unterricht ist ein komplexes Geschehen, bei dem eine Reihe von planbaren Aspekten mit einer Reihe von kaum oder nicht planbaren Faktoren zusammenspielen. Zu den planbaren Aspekten zählen die folgenden: Klärung der Voraussetzungen, Ziele setzen, Inhalte auswählen, Unterrichtsformen bestimmen, den Ablauf der Lektionen gestalten, überlegen, wie der Lern- erfolg gesichert und evaluiert werden kann.

Zu den nicht oder nur schwer planbaren gehören u. a. die Disposition aller oder einzelner Schüler/innen (die z. B. von einem Konflikt in der letzten Pause oder von familiären Problemen beeinflusst sein kann), die Disposition der Lehrerin/des Lehrers, das Wetter (z. B. lernhemmende Hitze), die Ablenkung durch ein bevorstehendes Ereignis (Klassenlager, Ferien, Prüfung), gruppendynamische Prozesse etc. Da diese Faktoren immer mitspielen, bietet auch eine optimale Planung keine hundertprozentige Garantie für das Gelingen des Unterrichts.

Dass aber ohne Planung nichts geht, weiß niemand besser als die HSU-Lehrer/innen, die ja nicht nur eine, sondern meistens verschiedene Klassen und Niveaus gleichzeitig unterrichten müssen. Ohne genaue Überlegungen, welche Gruppe was wann warum machen soll, würden bald chaotische Zustände herrschen und wäre die Motivation der Schüler/innen begreiflicherweise bald gleich null.

Dies wäre fatal, zumal der HSU an den meisten Orten fakultativ ist und nur überleben kann, wenn er eine möglichst hohe Qualität und Attraktivität erreicht – was wiederum ohne professionelle Planung unmöglich ist.

Wir gehen im Folgenden zunächst auf die verschiedenen planbaren Faktoren und Elemente ein. Dabei orientieren wir uns an einem aktuellen Planungsinstrument, das von Fachleuten der Pädagogischen Hochschule Zürich entwickelt wurde, und spezifizieren dieses für die Situation des HSU. Anschließend werden die verschiedenen zeitlichen Ebenen der Planung – von der Jahresplanung bis zur Planung einzelner Sequenzen – thematisiert. Wichtig zur Konkretisierung sind für beides die Beiträge und Beispiele im B-Teil, die aus der Unterrichtspraxis von HSU-Lehrer/innen stammen.


2. Die Schritte und Elemente der Planung im Überblick

Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die Grob- und Feinplanung von Doppelstunden, da der HSU an den meisten Orten in diesem Rahmen erteilt wird (eine Doppellektion pro Woche). Selbstverständlich gelten dieselben Überlegungen auch für Einzellektionen oder für größere Blöcke. Zur Jahres-, Quartals- und Themenplanung siehe unten.

Im Überblick lässt sich Unterrichtsplanung als Kreislauf verstehen, der von einer Doppellektion zur nächsten, von einer Woche zur nächsten führt. Die einzelnen Schritte (die sich auf die drei Phasen Vor- überlegungen – Durchführung – Evaluation verteilen) werden nachfolgend detailliert erläutert.

 

1. Vorüberlegungen, Grob- und Feinplanung

Klären der «Gesamtkomposition», der Thematik(en), der Voraussetzungen etc. Es geht um Vorüberlegungen und um die Grobplanung; es entstehen erste Notizen.
Fragen, die bei diesem Schritt beantwortet werden:

  • Gesamtkomposition: Plane ich eine Doppellektion zu einem gemeinsamen Thema für alle Stufen (z. B. «Freundschaft»), mit niveaudifferenzierten Aufgaben, oder plane ich eine Doppellektion mit 2–3 stufenspezifischen Themen (z. B. 1./2. Klasse: Einführung neuer Buchstaben; 3. Klasse: Lesetraining; 4.–6. Klasse: Arbeit am Thema «Texte schreiben»; 7.–9. Klasse: Vorbereitung von Vorträgen) oder plane ich eine Mischform (z. B. gemeinsam 20 Min. Gespräch zum Thema «Freundschaften», dann 40 Min. stufenspezifische Aktivitäten zu Sprach- themen, dann 30 Min. gemeinsam einen Film anschauen und besprechen).

  • Wahl des Themas/der spezifischen Themen oder Aufgabenstellungen für die einzelnen Niveaugruppen (Themenbeispiele siehe oben).

  • Pädagogische Relevanz, zentrale inhaltliche Punkte, Lebensweltbezug des Themas/der Themen für die Schüler/innen überlegen.

  • Voraussetzungen der Schüler/innen: Über welche Voraussetzungen und welches Vorwissen verfügen die Schüler/innen mit Bezug auf die Themen der Doppellektion? Welche bikulturell-bilingualen Kenntnisse und Kompetenzen können sie dazu einbringen, wie kann ich optimal auf ihre Lebenswelt und Realität Bezug nehmen? An was muss ich evtl. von der letzten Woche her anknüpfen, was vertiefen etc.?

Entscheiden, welche Ziele und Inhalte für die einzelnen Gruppen gewählt werden, welche Unterrichts- und Sozialformen passen und wie der Lernerfolg ermittelt werden soll. Es geht um die Konkretisierung der Vorüberlegungen. Hierzu macht man differenziertere Notizen und evtl. erste Einträge auf dem Planungsformular.

Fragen, die hier beantwortet werden:


  • Ziele/Inhalte: Welche Ziele setze ich für die einzelnen Niveaugruppen; welche Inhalte wähle ich für sie aus? (Ich kann entweder von den Zielen ausgehen und Inhalte dazu suchen oder von einem Inhalt ausgehen und Ziele dazu definieren.) Beispiele: Die Schüler/innen bauen ihre Schreibkompetenz in der Muttersprache aus (= Ziel), indem sie nach einer Anleitung einfache Beschreibungen von Gegenständen verfassen (= Inhalt) oder: Die Schüler/innen sprechen kurze Gedichte auf Tonband (= Inhalt), um damit ihre Ausdruckskompetenz zu trainieren (= Ziel).

  • Unterrichts- und Sozialformen: Welche Unterrichtsformen (Diskussion, Vortrag, erarbeitender Unterricht, Arbeit an Arbeitsblättern etc.) und welche Sozialformen (Einzel-, Partner-, Gruppenarbeit etc.) passen zu den Zielen und Inhalten, die ich für die einzelnen Gruppen gewählt habe? Ist die Auswahl der Unterrichts- und Sozialformen realistisch mit Blick auf meinen Mehrklassenunterricht; habe ich für jede Niveaugruppe Aufträge eingeplant, die ohne meine Hilfe erledigt werden können, so dass ich für die anderen Gruppen frei bin?

  • Evaluation des Lernerfolgs: Wie kann ich feststellen, ob meine Ziele auch erreicht wurden, ob die Schüler/innen tatsächlich gelernt und begriffen haben, was ich sie lernen ließ? Möglichkeiten: abschließendes Gespräch (besser: abschließende Notizen der Schüler/innen) zur Frage: «Was habe ich heute konkret gelernt?»; Beobachtungen/Notizen der Lehrperson zum Lernen einzelner Schüler/innen; Auftrag an die Schüler/innen, den zu lernenden Sachverhalt nochmals einander in Partnerarbeit zu erklären; schriftlicher Test als Lernkontrolle (das soll aber nur eine Form unter anderen sein!).

Gestalten der Lektion(en) in einem konkreten Planungsschema, das den zeitlichen Ablauf, die Aktivitäten der Lehrperson und der verschiedenen Schüler/innen-Gruppen zeigt und das während der Lektion(en) als «Drehbuch» dient. Es geht also darum, die Überlegungen aus den beiden vorangegangenen Schritten in eine konkrete Detail- oder Feinplanung umzusetzen bzw. in einem Planungsformular als chronologischen Ablauf festzuhalten.


  • Besonderes Gewicht muss beim Mehrklassen-Unterricht, wie er für den HSU charakteristisch ist, auf die Verteilung der Aktivitäten von Lehrperson und Schüler/innen gelegt werden. Jede Niveaugruppe sollte die Lehrperson mindestens einmal «für sich» haben, wobei die jüngeren Schüler/innen in der Regel mehr Betreuung verlangen als die älteren. Selbstverständlich ist es auch gut möglich (und durchaus sinnvoll!), dass ältere Schüler/innen den jüngeren etwas erklären oder dass die Schüler/innen in Tandems oder Kleingruppen miteinander arbeiten: dies auch zur Entlastung der Lehrperson.

  • Das Planungsformular soll funktional und übersichtlich sein. In jedem Fall soll es links eine Zeitschiene resp. eine Spalte mit den Zeitangaben enthalten. Wenn man drei Niveaugruppen parallel zu unterrichten hat, wird man neben dieser Zeitschiene drei Spalten (je eine pro Niveaugruppe oder Stufe) anlegen, in denen die Aktivitäten der betreffenden Gruppen verzeichnet sind. Farbig umrandet (oder grau unterlegt) sind jene Phasen, während derer die Lehrperson mit der betreffenden Gruppe arbeitet. Durch diese Markierung wird auch gleich ersichtlich, wo die Lehrperson wann ist. Vgl. hierzu das Beispiel in Kap. 11 B.6.

Beispiel Planungsformular
(Vgl. auch das Beispiel in 11 B.6)

Allgemeine Angaben
Datum Klasse, Ort
Thema der (Doppel-)Lektion
Thema Unterstufe/Niveau I Thema Mittelstufe/Niveau II Thema Oberstufe/Niveau III

 

 

Ziele der (Doppel-)Lektion
Ziele Unterstufe/Niveau I Ziele Mittelstufe/Niveau II Ziele Oberstufe/Niveau III

 

 

Vorzubereitende Medien
Hausaufgaben
Hausaufgaben Unterstufe/Niveau I Hausaufgaben Mittelstufe/Niveau II Hausaufgaben Oberstufe/Niveau III

 

 

Konkrete Lektionsplanung
(Markieren, bei welchen Sequenzen die Lehrperson mit der betreffenden Gruppe arbeitet, vgl. das Beispiel in Kap. 11 B.6!)
Zeit Unterstufe/Niveau I Mittelstufe/Niveau II Oberstufe/Niveau III

 

 

 

 

 

 

Erstellt man eine Planung für nur eine Niveaugruppe oder Klasse, kann das Formular differenzierter ausgestaltet werden, wie das folgende Beispiel zeigt:

Allgemeine Angaben
Datum Klasse, Ort
Thema der (Doppel-)Lektion
Ziele der Lektion
Vorzubereitende Medien
Hausaufgaben
Konkrete Lektionsplanung
Zeit Aktivitäten der Schüler/innen Angaben zu Teilzielen, Sozialformen etc. Aktivitäten der Lehrperson Medien

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2. Durchführung der Lektion(en)


Hier wird sich zeigen, wie schon in Absatz 1 anklingt, dass nicht alles Geplante auch problemlos umgesetzt und erreicht werden kann. Das ist nicht tragisch und fordert die Flexibilität und Kreativität der Lehrerin/des Lehrers heraus.

Umso wichtiger ist aber der nächste Schritt:

3. Evaluation


Wie weit wurde das Geplante erreicht; warum wurde etwas Bestimmtes nicht erreicht; wo muss evtl. etwas wiederholt oder vertieft werden, was steht als Nächstes an, etc.?

Die Klärung dieser Fragen dient erstens der eigenen Reflexion und Professionalisierung. Sie ist zweitens unerlässlich als Basis für die Weiterarbeit in den nächsten Lektionen bzw. für das «Klären der Voraussetzungen». Auf diese Weise schließt sich der Planungskreislauf, den die Grafik zu Beginn des Kapitels darstellt.


3. Planung in verschiedenen Dimensionen: Von der Jahresplanung bis zur einzelnen Sequenz

In der Schulrealität steht die detaillierte Planung einzelner (Doppel-)Lektionen, auf die wir nun ausführlich eingegangen sind, in einem längeren Prozess eigentlich erst an letzter Stelle. Dieser beginnt in der Regel mit einer relativ groben, als Orientierung aber sehr nützlichen Jahres- oder Semesterplanung, die dann in einer Quartals- oder Monatsplanung oder in einer Themenplanung weiter verfeinert und spezifiziert wird, bis schließlich ein solider Kontext und Rahmen geschaffen ist, innerhalb dessen die einzelne Lektionsplanung ihren Ort und Sinn hat.

Die Jahres- und die Semesterplanung sind aus verschiedenen Gründen besonders wichtig:

  • Sie bieten einen Überblick über eine längere Periode und dienen als Bezugs- oder Referenzrahmen für die Detailplanungen.
  • Sie sind Anlass, die Kompatibilität der vorgesehenen Inhalte mit den Lehrplänen des Herkunfts- und des Einwanderungslandes sicherzustellen.
  • Sie sollen Anlass sein, bei der Auswahl der Themen auch solche zu suchen, bei denen sich eine Kooperation mit dem regulären Unterricht anbietet. Diesbezügliche Absprachen mit den regulären Lehrkräften sollen am besten schon früh geschehen.

Je ein Beispiel für eine Semester- und eine Themenplanung findet sich im B-Teil (11 B.4 und B.5), zugleich illustrieren diese Beispiele verschiedene Arten und Möglichkeiten der Systematik. Die Semesterplanung in 11 B.4 verfügt über fünf Spalten, die mit Monatsangabe, übergreifendem Thema (falls vorhanden) und genaueren Angaben für drei Stufen oder Niveaus ausgefüllt werden. (Siehe unten: Beispiel Semesterplanung.)

Die Themenplanung in 11 B.5 geht von einer Jahres- oder Semesterplanung aus, in der große thematische Blöcke einander folgen (ähnlich wie oben die Monatsthemen, aber vielleicht etwas flexibler). Die Systematik folgt hier den vier großen Sprachverarbeitungsbereichen Sprechen, Leseverstehen, Hörverstehen und Schreiben, für die je eine Spalte vorgesehen ist. Dies ließe sich natürlich problemlos erweitern um Spalten wie z. B. «landeskundliches Wissen», «interkulturelle Inhalte», «literarisches Lernen». (Siehe unten: Beispiel Themenplanung.)

Selbstverständlich lässt sich das Schema von 11 B.4 auch für die Themenplanungen anwenden, so wie umgekehrt auch das Schema von 11 B.5 zur Basis der Jahresplanung gemacht werden kann.

Zu ergänzen bleibt, dass die erste, zum Teil auch die zweite Klasse meist einen Sonderstatus einnimmt, weil hier die Alphabetisierung in der Erstsprache im Gange ist, was je nach Sprache und Schriftsystem viel oder weniger Zeit beansprucht. Für diese Klasse oder Klassen ist also ein spezieller Plan anzufertigen.

Beispiel Semesterplanung

Monat Monat Unterstufe/Niveau I Mittelstufe/Niveau II Oberstufe/Niveau III

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beispiel Themenplanung

Thema, Dauer in Wochen:
Niveau Sprechen Leseverstehen Hörverstehen Schreiben
Unterstufe Niveau I
Mittelstufe Niveau II
Oberstufe Niveau III

Literaturhinweise

Grunder, H.-U. et al. (2012): Unterricht verstehen – planen – gestalten – auswerten. 3. Aufl. Balt- mannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.

Meyer, Hilbert (2007): Leitfaden zur Unterrichtsvor-
bereitung. Berlin: Cornelsen Scriptor.

Schneider, Jost; Schlechter, Dirk (2013): Unterricht einfach planen und vorbereiten: Das Praxisbuch. Donauwörth: Auer.

Zumsteg, Barbara et al. (2014): Unterricht kompetent planen. Vom didaktischen Denken zum professi- onellen Handeln. 5. Aufl. Zürich: Verlag Pestaloz- zianum.

Vgl. auch den von der Bildungsdirektion des Kantons Zürich herausgegebenen und in 20 Sprachen übersetzten Rahmenlehrplan für Heimatliche Sprache und Kultur (HSK) von 2011. Link: http:// www.vsa.zh.ch/hsk


Dank

Für die kritische Durchsicht und Ergänzung des Textes herzlichen Dank an Barbara Zumsteg von der PH Zürich.


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