Regina Bühlmann, Anja Giudici


1. Einleitung

Europa ist ein vielsprachiger Kontinent und es ist ein erklärtes Ziel seiner Staaten, die Sprachen- und Kulturenvielfalt als wertvolles Gut beizubehalten und zu fördern (s. Kap. 13). Dies in die Praxis zu übersetzen ist freilich eine Herausforderung. Die einzelnen Länder haben unterschiedliche Wege gewählt, wie sie die Förderung der Mehrsprachigkeit tatsächlich umsetzen. Allen Staaten gemeinsam ist, dass die öffentliche Schule einen zentralen Beitrag dazu leistet: Ihr Kernauftrag umfasst u. a. die Vermittlung der Schulsprache mit dem Ziel der chancengleichen Teilhabe am Unterricht für alle Schüler/innen – also auch für Zweitsprachlernende – und die Vermittlung einer bestimmten Anzahl an Fremdsprachen, wozu in einigen Ländern auch Migrationssprachen zählen können.

Die Integration des HSU in das staatliche Bildungswesen bzw. die staatliche Unterstützung des HSU ist in den europäischen Ländern – und teilweise innerhalb dieser Länder zusätzlich auf regionaler und lokaler Ebene – unterschiedlich geregelt. Je nach Arbeitsort trifft eine HSU-Lehrperson deshalb auf unterschiedliche Voraussetzungen für ihre Lehrtätigkeit und für die Kooperation mit der öffentlichen Schule.

Sich Orientierungswissen holen

Das A und O für eine neu tätig werdende HSU-Lehrperson ist, sich als Erstes Orientierungswissen zu holen.

Einen möglichen Einstieg bieten die Online-Informationen von EURYPEDIA zu den Bildungssystemen in Europa: https://webgate.ec.europa.eu/fpfis/mwikis/eurydice/index.php/Main_Page (Stand 20.10.2014).

Einige Länder veröffentlichen spezifische Informationen für HSU-Lehrpersonen auf ihren Bildungsservern oder auf der Website ihrer Bildungsbehörde. Oft stehen auch Ansprechpersonen in den Bildungsbehörden für Auskünfte und Beratung zur Verfügung.

Aus der Perspektive einer umfassenden Mehrsprachigkeitsdidaktik ist die Zusammenarbeit zwischen allen Lehrpersonen eine zentrale Voraussetzung, um eine kohärente Sprachförderung der Schüler/innen gewährleisten zu können (eine Diskussion der Mehrsprachigkeitsdidaktik bzw. der integrativen/integrierten Sprachendidaktik findet sich z. B. in Hutterli, 2012, S. 64): HSU-Lehrpersonen sind dabei wichtige Partner der staatlichen Schulen. Viele Lehrpersonen der staatlichen Schulen sind offen für die Zusammenarbeit mit den HSU-Lehrpersonen, z. B. für den Austausch über den Sprachstand der Schüler/innen oder auch für die gemeinsame Planung bestimmter Themen oder Unterrichtssequenzen. Aber auch an Schulen, an denen die Zusammenarbeit mit HSU-Lehrpersonen nicht oder noch wenig etabliert ist, gibt es Möglichkeiten, die Kooperation zu initiieren.
Die nachfolgenden Beispiele sollen dazu anregen.


2. Kooperationsfelder

 

  • 1. Aller Anfang ist Begegnung
  • 2. Schule und Unterricht mitgestalten
  • 3. Lern- und Förderplanung
  • 4. Zusammenarbeit mit den Eltern

  • 1. Aller Anfang ist Begegnung

Die Basis jeglicher Zusammenarbeit ist, dass man sich kennt und versteht. Dafür braucht es auf beiden Seiten Offenheit und die Bereitschaft, von- und miteinander zu lernen. Kooperation bedingt zudem Absprachen. Hierfür muss eine gemeinsame Sprache – im wörtlichen wie im übertragenen Sinn – gefunden werden.

Gute Kompetenzen der HSU-Lehrpersonen in der lokalen Sprache (mindestens Niveau B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen) sind für eine pädagogisch-didaktische Zusammenarbeit mit den Lehrpersonen der öffentlichen Schulen unerlässlich. Einige Bildungsbehörden verlangen deshalb von den HSU-Lehrpersonen bestimmte sprachliche (Vor-)Kenntnisse. Die zeitliche Investition ins Lernen der lokalen Sprache lohnt sich in jedem Fall!

Berufliche Kontakte aufnehmen

Der erste Schritt hin zu einer Zusammenarbeit ist das Aufeinander-Zugehen: Unterrichten ist eine anspruchsvolle Aufgabe und es ist hilfreich, sich zu fachlichen Fragen mit anderen Lehrpersonen auszutauschen. HSU-Trägerschaften bieten dazu oft formelle Settings an wie z. B. regelmäßige Austauschtreffen, Sitzungen oder Weiterbildungen für ihre Lehrpersonen. Auch wenn kein Anschluss an eine Trägerschaft gegeben ist oder keine formellen Austauschgefäße bestehen, kommen andere – auch informelle – Möglichkeiten in Frage.

  • Gibt es Lehrpersonen in meinem Umfeld, die an einem professionellen Austausch oder gegenseitigem Coaching interessiert sind?
  • Organisiert die lokale Bildungsbehörde Austauschmöglichkeiten, z. B. regelmäßige Konferenzen, an denen ich teilnehmen kann?
  • Gibt es Lehrerverbände oder Gewerkschaften, in denen ich den gewünschten Austausch pflegen kann?
  • Gibt es Weiterbildungsangebote der Lehrerinnen-/Lehrerbildungsinstitutionen (Pädagogische Hochschulen usw.) zur Vernetzung und zum professionellen Austausch zwischen Lehrpersonen?

Die lokale Schule kennenlernen

HSU-Lehrpersonen, die neu an einer Schule unterrichten, sollten sich als Erstes darüber informieren, welches ihre Ansprechperson für allgemeine Belange ist, wer ihnen den Zugang zur schulischen Infrastruktur ermöglicht und ihnen wichtige Informationen zur Verfügung stellt, z. B. Schulleitung, Schuldirektion oder Sekretariat (s. auch die Tipps in Kapitel 1 B.5).

  • Gibt es an der Schule Informationsmaterialien, die für mich von Interesse sind (Adresslisten der Lehrpersonen, Schüler/innenlisten, Terminkalender usw.)?
  • Gibt es (mehrsprachige) Materialien/Bücherbestände, die ich für den HSU nutzen kann?
  • Welche Infrastruktur steht mir im Schulhaus zur Verfügung (Kopierer, Internet, Postfach im Lehrer/innenzimmer usw.)?
  • Bietet die Schule oder die lokale Schulverwaltung Unterstützung, z. B. bei der Information von Eltern über das HSU-Angebot oder beim Anmeldeverfahren?
  • Gibt es bereits Erfahrungen in der Zusammenarbeit zwischen den Lehrpersonen der öffentlichen Schulen und den HSU-Lehrpersonen?

HSU-Lehrpersonen arbeiten oftmals in mehreren Schulhäusern, von denen jedes seine eigenen (ungeschriebenen) Normen und «Gesetze» hat. Die Lokalitäten werden zudem von vielen Personen und Gruppen genutzt. Dieses Zusammenleben ist natürlich viel einfacher, wenn sich alle an bestimmte Regeln halten – diese müssen aber auch bekannt sein!

  • Gibt es eine Hausordnung, in welcher meine Rechte und Pflichten beschrieben sind? Welche Regeln gelten für die Nutzung von Räumlichkeiten (z. B. Klassenzimmer) und Infrastruktur?
  • Habe ich Zugang zum Lehrer/innenzimmer, zur Schulbibliothek, zum Computerraum usw.? Muss oder kann ich an Teamkonferenzen teilnehmen?

Oft geben die zuständigen Bildungsbehörden Richtlinien heraus, welche Rechte und Pflichten HSU-Lehrpersonen haben, und/oder stellen schriftliche Informationsmaterialien und Formulare für den HSU-Unterricht zur Verfügung, z. T. übersetzt in verschiedene Migrationssprachen.

Kontakt mit der (Klassen-)Lehrperson aufnehmen

Die konkrete Zusammenarbeit findet in erster Linie zwischen den HSU-Lehrpersonen und den zuständigen Lehrpersonen der staatlichen Schulen statt (insbesondere Klassenlehrpersonen und Sprachlehrpersonen). Im Zentrum steht die gemeinsame Förderung der Schüler/innen. Möglichkeiten der Zusammenarbeit gibt es viele. Falls der erste Schritt nicht von Seiten der Schule geschieht, kann es sich lohnen, wenn die HSU-Lehrperson den Kontakt selber aktiv sucht.

  • Stellen Sie sich bei den Klassenlehrpersonen Ihrer Schüler/innen wenn möglich persönlich vor.
  • Erstellen Sie einen kurzen Steckbrief von sich und geben Sie diesen den Lehrpersonen, aus deren Klassen Sie Schüler/innen unterrichten. Der Steckbrief enthält mindestens Ihren Namen, Ihre Koordinaten (Telefon, E-Mail) und die Angabe, wann und wo Sie als HSU-Lehrperson im Schulhaus erreichbar sind. Mögliche zusätzliche Angaben: Ihre Aus- und Weiterbildungen, Ihre Sprachkenntnisse, frühere und/oder anderweitige Arbeitsfelder und spezifische Interessen. Ergänzt mit Ihrer Fotografie erhalten Ihre künftigen Kolleg/innen so ein erstes persönliches Bild von Ihnen.

 

  • 2. Schule und Unterricht mitgestalten

In einigen Ländern, z. B. in Schweden oder im deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen, ist das Mitgestalten des schulischen Lebens und des Unterrichts gut etabliert und eine Selbstverständlichkeit. In anderen Ländern und Regionen hingegen sind Schritte in diese Richtung relativ neu oder müssen überhaupt erst initiiert werden. Wie die Situation an ihrem Arbeitsort ist, können HSU-Lehrpersonen von Berufskolleg/innen oder von den zuständigen Bildungsbehörden erfahren: Es lohnt sich, wenn möglich an bestehende Erfahrungen anzuknüpfen!

Lehrer/innenkonferenzen und Teamsitzungen

In den Schulen werden Diskussionen geführt und Entscheide gefällt, die sowohl den schulischen Alltag als auch das Unterrichten betreffen – z. B. die Planung von Schulveranstaltungen und Projekten oder das Besprechen pädagogisch-didaktischer Fragen zur Förderung der Schüler/innen. Welche Bereiche die Schule selbst beeinflussen kann und wer genau die Entscheidungsträger sind, ist je nach Land oder Region unterschiedlich. Auch hier gilt: Fragen Sie Ihre Kolleg/innen vor Ort!

Wichtige Treffpunkte sind Lehrer/innenkonferenzen und Teamsitzungen, an denen die HSU-Lehrpersonen oft in mehr oder weniger institutionalisierter Form mitwirken können (oder gar müssen):

  • Ist meine Teilnahme an Lehrer/innenkonferenzen und/oder an Teamsitzungen obligatorisch (= Teil meines Arbeitsvertrags als HSU-Lehrperson)?
  • Ist es an den Schulen, an denen ich unterrichte, üblich, dass HSU-Lehrpersonen an Lehrer/innenkonferenzen und/oder Teamsitzungen teil- nehmen? Wenn nicht, könnte ich eine Teilnahme initiieren?

Als HSU-Lehrperson sind Sie oft an verschiedenen Schulen tätig und Ihre Ressourcen sind begrenzt. Stellen Sie sich deshalb bei freiwilligen Engagements auch folgende Fragen:

  • Welches Engagement ist für mich als HSU-Lehrperson wichtig? Welche Prioritäten setze ich?
  • Gibt es evtl. eine Möglichkeit, mein Engagement finanziell honorieren zu lassen (z. B. über ein internes Schulbudget oder ein Sonderbudget der zuständigen Bildungsbehörde)?

Schulfeste und Projektwochen

Schulische Gesamtanlässe sind grundsätzlich gute Gelegenheiten, einander kennenzulernen und die im HSU geleistete Arbeit zu präsentieren.

Oftmals existieren an Schulen bereits institutionalisierte Veranstaltungen, die man mitorganisieren oder an denen man aktiv teilnehmen kann, z. B. Schuljahresabschlussfeiern, (mehrsprachige) Lesenächte in den Schul- oder Quartierbibliotheken, Projektwochen, an denen klassenübergreifend an spezifischen Themen gearbeitet wird, oder Veranstaltungen im Rahmen von nationalen oder internationalen Tagen und Jahren (z. B. 26. September: Europäischer Sprachentag).

  • Welche Veranstaltungen dieser Art existieren bereits an meiner Schule/an meinen Schulen und wer ist für die Organisation zuständig? Nebenbei: Manchmal organisieren auch außerschulische Akteure solche Veranstaltungen, wie z. B. Gemeindebibliotheken oder Elternvereine.
  • Bietet die Veranstaltung eine Plattform, um den HSU zu präsentieren? Kann meine Klasse einen Beitrag gestalten, z. B. das Publikum in verschiedenen Sprachen begrüßen, ein Gedicht oder ein kurzes Märchen aus unserer Sprache vortragen oder szenisch aufführen? Vielleicht lassen sich auch die Eltern der HSU-Schüler/innen zur Mitwirkung gewinnen.
  • Gibt es die Möglichkeit, z. B. für eine Projektwoche einen thematischen Schwerpunkt vorzuschlagen und diesen (mit-)zugestalten?

Gegenseitige Klassenbesuche/Hospitationen durch die Lehrpersonen

Der Unterricht an der öffentlichen Schule und der HSU können je nach Kontext als zwei «fremde» Welten erscheinen, kurz: Man kennt sich gegenseitig nicht oder zu wenig. Dafür gibt es mehrere Gründe, die kumulierend wirken können: eine schwache institutionelle Einbindung des HSU in das staatliche Bildungswesen im Allgemeinen, die Lehrpersonen der öffentlichen Schulen sind nicht oder kaum über den HSU informiert, die HSU-Lehrperson ist im Schulhaus wenig präsent bzw. nur zu Randzeiten anwesend, die sprachlichen Voraussetzungen für einen Austausch unter Kolleg/innen sind nicht optimal usw. Solche Prämissen können die Zusammenarbeit erschweren.

Trotzdem: Gegenseitiges Kennenlernen baut Vertrauen auf! Machen Sie deshalb, wenn nötig, den ersten Schritt und laden Sie Ihre Kolleg/innen der öffentlichen Schule beispielsweise zu einem Besuch in Ihrer HSU-Klasse ein. Fragen Sie, ob Sie ebenfalls auf Schulbesuch gehen dürfen – in welcher Sprache auch immer: ein Weg zu kommunizieren findet sich (fast) immer.

Hier ein paar Anregungen, welche Themen des HSU Sie Ihren Kolleg/innen der öffentlichen Schule bei einem Klassenbesuch präsentieren und mit ihnen vertiefen könnten:

  • Arbeit mit heterogenen Klassen: HSU bedeutet z. B. oft, in einer jahrgangsübergreifenden Klasse mit sehr unterschiedlichem Sprachstand der Schüler/innen zu unterrichten, die Adaptation von verschiedenen Lernzielen des Aus- und Einwanderungslandes usw.
  • Arbeit mit Schüler/innen in einer transkulturellen Situation: Wo fühlen sie sich zu Hause? Was gefällt ihnen besonders an ihrer Herkunftskultur und was an der Kultur ihrer neuen Heimat? Welche familiären und gesellschaftlichen Erwartungen werden an sie gestellt?
  • Arbeit mit den Eltern: Welchen Hürden können Eltern mit Migrationshintergrund bei Kontakten mit der öffentlichen Schule begegnen?

Zusammen unterrichten

Es bestehen verschiedene Modelle, wie HSU-Lehrpersonen und Lehrpersonen der öffentlichen Schulen gemeinsame Unterrichtssequenzen gestalten können. Für einige dieser Unterrichtsmodelle gibt es Materialien. Drei interessante Ansätze sind z. B.:

  • EOLE/ELBE (v. a. in der Schweiz verwendet): Der Ansatz «Eveil aux langues/Language awareness/Begegnung mit Sprachen» kommt ursprünglich aus der britischen Sprachdidaktik und zielt auf die Stärkung des generellen Sprachbewusstseins. Daher eignet er sich sehr gut, um gemeinsam mit verschiedensprachigen Schüler/innen zu arbeiten. Dies wird in der Schweiz in verschiedenen Kontexten getan (vgl. Giudici & Bühlmann, 2014, Saudan et al., 2005, Schader, 2010 [DVD] und 2012).
  • Koala (v. a. in Deutschland verbreitet): Der im Rahmen eines Projektes für die Förderung türkischsprachiger Kinder entstandene Ansatz zur «Koordinierten Alphabetisierung Deutsch/Türkisch im Anfangsunterricht» weist auf die Wichtigkeit inhaltlich und methodisch koordinierter Förderung hin. Die Autor/innen bieten nicht nur Unterrichtsmaterialien an, sie zeigen auch Wege zur Vereinfachung der Koordination zwischen den verschiedenen Unterrichtsgefäßen auf (www.koala-projekt.de; Stand 11.11.2014).
  • «Cross curricular» links and primary languages (aus Großbritannien): Im Rahmen der nationalen Kampagnen für Sprachenförderung wurden in Großbritannien Modelle entwickelt, um die Curricula der öffentlichen Schule mit dem HSU zu koordinieren. Die Resultate dieser Arbeiten sind heute öffentlich zugänglich und bieten spannende Hinweise, Tipps und Materialien, um die Förderung der Herkunftssprachen in den verschiedenen Fächern der öffentlichen Schule zu unterstützen (http://www.bbc.co.uk/schools/primarylanguages; Stand 12.11.2015).

Zusammen die Bibliothek besuchen

Erzählungen und Geschichten spielen in der Schule eine wichtige Rolle. Deshalb sind sie sehr gut für gemeinsame Aktivitäten des HSU und des regulären Unterrichts geeignet. In größeren Schulen gibt es unter Umständen eine eigene Bibliothek, oder die Lehrpersonen greifen auf das Angebot der Quartierbibliotheken zurück. Sogenannte interkulturelle Bibliotheken sind auf mehrsprachige Bücherbestände spezialisiert und deshalb besonders interessant für den HSU (in der Schweiz gibt es beispielsweise das Netzwerk interkultureller Bibliotheken Interbiblio, www.interbiblio.ch): Schauen Sie sich in Ihrem Umfeld um!

  • Gibt es eine Schulbibliothek oder eine Bibliothek in der Nähe der Schule, die Bücher in verschiedenen Herkunftssprachen ausleiht? Oder gibt es einen Ausleihservice für Schulen für zweisprachige Klassenlektüren?
  • Könnte ich gemeinsam mit der Klassenlehrperson eine Bibliothek besuchen oder ein zweisprachiges Lektüreprojekt mit ihr durchführen?
  • Könnte die Schulbibliothek mit mehrsprachigen Büchern ausgestattet werden? Wenn dafür keine Finanzen vorhanden sind, helfen vielleicht die Eltern Ihrer HSU-Schüler/innen, indem sie bereits gelesene Bücher aus ihrem privaten Bestand weitergeben.

 

  • 3. Lern- und Förderplanung

HSU-Schüler/innen bewegen sich in zwei unterschiedlichen schulischen Kontexten, demjenigen der Klasse in der öffentlichen Schule und demjenigen der HSU-Klasse. HSU-Lehrpersonen haben eine Sicht auf ihre Schüler/innen, die eine wertvolle Ergänzung zur Perspektive der Lehrpersonen der öffentlichen Schule darstellt. Dies ist eine Chance für eine umfassende schulische Lern- und Förderplanung von mehrsprachig aufwachsenden Kindern.

Gemeinsame Förderplanung bei mehrsprachigen Schüler/innen

Indem Erfahrungen ausgetauscht werden, können Lehrpersonen des HSU und der öffentlichen Schule ihre Einschätzung eines Schülers, einer Schülerin vervollständigen und adäquate Fördermaßnahmen planen.

  • Nehmen Sie Kontakt mit den Klassenlehrpersonen Ihrer Schüler/innen auf und fragen Sie nach, in welcher Art ein Austausch unter Fachpersonen erwartet wird oder erwünscht ist.
  • Bringen Sie Ihre Beobachtungen über die Schüler/innen ein und regen Sie eine gemeinsame Förderplanung an.

Treffpunkte bei der Planung von Themen und Inhalten des Unterrichts

Insbesondere wenn die HSU-Lehrperson eine Gruppe von Kindern aus derselben öffentlichen Schulklasse unterrichtet, kann es sich lohnen, wenn die beiden Lehrpersonen die Planung bestimmter Inhalte gemeinsam angehen. Dies betrifft Themen im Sprachenunterricht (z. B. Wortschatzaufbau zu einem gemeinsamen Thema, Syntaxübungen), aber auch Themen aus den Fächern «Mensch und Umwelt» usw. eignen sich dafür.

  • Informieren Sie die Klassenlehrpersonen über die Themen, welche Sie im HSU behandeln. Fragen Sie, ob es Möglichkeiten für inhaltliche Treffpunkte gibt. Gute Vorschläge finden sich z. B. in der Broschüre «Mehrsprachig und interkulturell» der Bildungsdirektion des Kantons Zürich (Öndül & Sträuli, 2011, S. 25–28), bei Schader (2010, 2013) und in den Heften «Didaktische Anregungen» der vorliegenden Reihe.

Mitwirken bei der Leistungsbeurteilung von Schüler/innen

Der Bereich der formalisierten Leistungsbeurteilung ist in allen Ländern exakt geregelt. Deshalb ist es äußerst wichtig, die Usancen im Einwanderungsland zu kennen:

  • Muss ich meine Schüler/innen für ihre Leistungen im HSU benoten oder nicht? Welche Vorgaben muss ich beachten? Gibt es Vorlagen für die Beurteilung und den Noteneintrag? Bei wem muss ich bis wann meine Noten abgeben?
  • Akzeptiert der Einwanderungsstaat eine Besuchsbestätigung oder eine Beurteilung für den HSU im amtlichen Schulzeugnis oder nicht?
  • Klären Sie auch ab, ob die Leistungen, welche Schüler/innen im HSU erbringen, auf formeller oder informeller Ebene bei Übertrittsentscheiden berücksichtigt werden oder nicht.

 

  • 4. Zusammenarbeit mit den Eltern

In europäischen Bildungssystemen kommt der Zusammenarbeit zwischen Schule und Eltern eine wichtige Rolle zu. Die Lehrpersonen erwarten von den Eltern Interesse am schulischen Geschehen und Unterstützung bei der Laufbahnplanung ihrer Kinder. Dies ist für einige neu zugewanderte Eltern eher ungewohnt und kann auch schwierig sein, z. B. wenn sie die lokale Unterrichtssprache nicht oder kaum verstehen und die schulischen Strukturen und Gewohnheiten nicht kennen. Hier können HSU-Lehrpersonen unterstützend und vermittelnd wirken.

Wichtig: Rollensicherheit

Als HSU-Lehrperson haben Sie in der Regel eine pädagogisch-didaktische Ausbildung, die Sie für das Unterrichten in einer Klasse qualifiziert. Dazu kommen eventuell weitere Qualifikationen aus Weiterbildung und Praxis.

Als HSU-Lehrperson sind Sie eine Schlüsselperson zwischen Schule und Eltern mit Migrationshintergrund. Weitergehende Aufträge, wie z. B. interkulturelles Dolmetschen oder Vermitteln, gehören in der Regel jedoch nicht zu Ihrem Aufgabenbereich. In vielen Ländern können Schulen zudem auf interkulturelle Dolmetscher- oder Vermittlerdienste zurückgreifen, welche professionelle Unterstützung für die Zusammenarbeit mit Eltern anbieten (in der Schweiz sind diese Dienste beispielsweise unter dem Dachverband Interpret organisiert, www.inter-pret.ch). Vgl. hierzu auch Kap. 2 A.4.

Mitwirken am Elternabend

Elternabende, zu welchen sämtliche Eltern einer Klasse eingeladen werden, sind in der Regel institutionalisiert; sie finden ein- bis zweimal pro Schuljahr statt und werden durch die Klassenlehrperson organisiert und geleitet. Sie bieten unter Umständen auch für HSU-Lehrpersonen eine willkommene Gelegenheit, die Eltern kennenzulernen und sich und den HSU vorzustellen.

  • Überlegen Sie, ob es für Sie interessant ist, an einem Elternabend dabei zu sein (z. B., wenn Sie mehrere HSU-Schüler/innen aus derselben Regelschulklasse haben), und besprechen Sie eine mögliche Teilnahme mit der Klassenlehrperson.

Mitwirken an Elterngesprächen

Elterngespräche sind individuelle Gespräche zwischen (Klassen-)Lehrperson/en und Eltern und werden oft angesetzt, wenn z. B. Übertrittsentscheide anstehen. Sie können aber auch dazu dienen, individuelle Probleme von Schüler/innen zu besprechen oder eine gemeinsame Vorgehensweise für die Förderung der Schüler/innen zu erörtern. Das Führen von Elterngesprächen ist ebenso wie die Organisation von Elternabenden Aufgabe der öffentlichen Schule. Je nach Arbeitsvertrag ist die Teilnahme an Elternabenden und/oder Elterngesprächen eine freiwillige Zusatzleistung von HSU-Lehrpersonen und sollte wenn möglich auch entsprechend abgegolten werden.

    • Unter Umständen werden Sie von der Klassenlehrperson gebeten, an einem bestimmten Elterngespräch teilzunehmen: Klären Sie die an Sie gestellten Erwartungen ab und überlegen Sie sich, was Sie persönlich beitragen können und was nicht.
    • Vielleicht werden Sie von den Eltern gebeten (oder Sie selbst erachten es für sinnvoll), an einem Gespräch teilzunehmen. Wichtig ist in jedem Fall, dass Sie die Rollen vorgängig klären. Die Entscheidung, wer am Gespräch teilnimmt, liegt bei der einladenden Lehrperson der öffentlichen Schule. Es ist Ihnen selbstverständlich freigestellt, Ihrerseits Gespräche mit Eltern Ihrer Schüler/innen zu führen.

3. Schlusswort

Die in Kapitel 12 ausgewählten Kooperationsfelder und Vorschläge sind natürlich nicht als abgeschlossen zu verstehen. Zu verschieden sind die Kontexte, die Sie an Ihrem Arbeitsort vorfinden, und auch Ihre persönlichen Voraussetzungen (z. B. ob Sie neu an einem Ort unterrichten oder bereits seit längerer Zeit). Entscheidend ist, dass Sie trotz aller möglichen Schwierigkeiten die Energie und Bereitschaft zur Zusammenarbeit nicht verlieren.


Literaturhinweise

Council of Europe: Education and Languages, Language Policy. Link: http://www.coe.int/t/dg4/ linguistic/default_EN.asp?

European Commission (2014). European Encyclope-dia on National Education Systems (Eurypedia). Link: https://webgate.ec.europa.eu/fpfis/mwikis/ eurydice/index.php/Switzerland:Overview

Giudici, Anja; Regina Bühlmann (2014): Unterricht in heimatlicher Sprache und Kultur (HSK). Eine Aus- wahl guter Praxis in der Schweiz. Bern: EDK, Reihe «Studien und Berichte». Link: http://edudoc.ch/ record/112080/files/StuB36A.pdf

Hutterli, Sandra (Hrsg.; 2012): Koordination des Sprachenunterrichts in der Schweiz. Aktueller Stand – Entwicklungen – Ausblick. Bern: EDK. Link: http://www.edk.ch/dyn/25876.php

Öndül, Selin; Barbara Sträuli (2011): Mehrsprachig und interkulturell. Beispiele guter Zusammenarbeit zwischen Lehrpersonen der Heimatlichen Sprache und Kultur (HSK) und der Volksschule. Zürich: Volksschulamt.
Link: http://edudoc.ch/record/99952?ln=en

Saudan, Victor; Christiane Perregaux u. a. (2005): Lernen durch die Sprachenvielfalt. Schlussbericht zum Projekt JALING Suisse. Bern: EDK. Link: http://edudoc.ch/record/463/files/Stub22.pdf

Schader, Basil (2010): Mehrsprachigkeitsprojekte: Konkrete Beispiele für die Praxis. Ein Unterrichts- film der Pädagogischen Hochschule Zürich. Bern: Schulverlag plus.

Schader, Basil (2013): Sprachenvielfalt als Chance. Handbuch für den Unterricht in mehrsprachigen Klassen. Zürich: Orell Füssli Verlag.

vpod Bildungspolitik (2014): Sonderheft Nr. 188/189 «Die Zukunft des Erstsprachunterrichts» (div. Bei- träge, v.a. S. 38 f., 41 f., 96 f., 100 f.)


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