«Guter Unterricht» aus der Sicht von HSU-Schüler/innen: Ergebnisse einer kleinen Umfrage

Anhand von Fragebögen von HSU-Klassen von Sakine Koç, Dragana Dimitrijević, Valeria Bovina, Nexhmije Mehmetaj und Nexhat Maloku ausgewertet von Basil Schader.

Als praxisorientierte Ergänzung zum A-Teil dieses Kapitels und auf Anregung von dessen Autor, Prof. Helmke, wurde in fünf HSU-Klassen in der Schweiz eine kleine und informelle Umfrage initiiert. Ihr Ziel war es, der forschungs- und wissenschaftsorientierten Sichtweise des A-Teils die Sicht der direkt Betroffenen, d. h. der Schüler/innen, gegenüberzustellen. Was macht «den guten Lehrer/die gute Lehrerin» aus deren Perspektive aus, was sind für sie die Charakteristika von gutem Unterricht?

Ansprüche an Repräsentativität oder nur schon wissenschaftliche Solidität hinsichtlich der Erhebungsumstände und der Zusammensetzung der Stichprobe kann die Umfrage nicht beanspruchen, und mehr als ein Stimmungsbild können die Ergebnisse nicht vermitteln.

Kurz zur Anlage der Erhebung: Die beteiligten HSU-Lehrer/innen wurden – leider in den ohnehin schon strapazierten Wochen vor den Sommerferien 2014 – gebeten, in ihren HSU-Klassen (oder in einer derselben) ein als Druckvorlage mitgeliefertes Blatt mit folgendem Auftrag (und Angaben zu Alter und Geschlecht) ausfüllen zu lassen:

«Ergänze bitte die folgenden Satzanfänge:


  • Ein guter Lehrer/eine gute Lehrerin ist für mich …

  • Unterricht ist für mich gut, wenn …

  • Zum Begriff (Wort) ‹Lehrer/in› oder ‹lehrerhaft› fällt mir Folgendes ein …»

Vier Klassen mit insgesamt 76 Schüler/innen füllten die Bögen mit Bezug auf Lehrer/innen und Unterricht generell aus; eine weitere Klasse modifizierte die Umfrage selbstständig und listete Antworten zur Frage auf: «Was sind Kriterien für guten HSU-Unterricht?»

Fragebögen mit drei Satzanfängen (s.o., vier Klassen) Unterstufe (8–9 J.) Mittelstufe (10–12 J.) Oberstufe (13–15 J.) Total
w m w m w m
Türkischer HSU, Kanton Zürich (S. Koç) 7 3 3 1 0 0 14
Serbischer HSU, Kanton Aargau (D. Dimitrijević) 4 0 3 3 7 1 18
Italienischer HSU, Kanton Zürich (V. Bovina) 0 0 6 5 0 0 11
Albanischer HSU, Kanton Jura (N. Mehmetaj) 4 0 10 7 10 2 33
Total 15 3 22 16 17 3 76

Die zusätzlichen 29 Blätter mit Antworten auf die Frage nach Kriterien für guten HSU-Unterricht stammen aus zwei HSU-Klassen von Nexhat Maloku in Zürich (nur Mittel- und Oberstufe). Angaben zu Alter und Geschlecht fehlen hier leider.

In der folgenden Zusammenstellung einiger auffallender Resultate gehen wir zunächst nur auf die 76 Bögen mit den vervollständigten Satzanfängen ein. Zur Katalogisierung der Antworten wurden induktiv Bereiche (z. B. «Nennungen zur pädagogischen Haltung») und untergeordnete Kategorien (z. B. «ist lustig, macht Witze») gebildet. Systematische Vergleiche nach Altersgruppen, Geschlecht oder Sprachgruppe sind angesichts der ungenügenden Datenbasis nicht möglich.

“«Ein guter Lehrer ist für mich ein Lehrer, der mir helfen kann» ”

(Milos, 10 J.)

Die Antworten auf den Impuls «Ein guter Lehrer/eine gute Lehrerin ist für mich …» lassen sich drei großen Bereichen zuteilen:

Anz. Nennungen
Nennung allgemeiner Charaktereigenschaften («nett», «lächelt», «gut»): 26
(17w / 9m)
Nennungen zur pädagogi- schen Haltung (mit 9 Unterkategorien) 76
(54w / 22m)
Nennungen zu didaktischen und professionellen Kompe- tenzen (3 Unterkategorien) 40
(30w / 10m)

Am häufigsten (29x) wird zur Charakterisierung des guten Lehrers/der guten Lehrerin das Eigenschaftsbündel «hilfsbereit, unterstützend, geduldig» genannt. An zweiter Stelle stehen allgemeine Charaktereigenschaften («nett» etc., 26 Nennungen). Beinahe gleich oft (25x) wird die didaktisch-professionelle Kompetenz «bringt uns etwas bei» genannt; gefolgt von «erklärt klar, hilft gut» und «ist streng, kann aber auch lustig sein» resp. «schimpft und schreit nicht» (je 10x).

Die genannte Reihenfolge gilt für die Summe aller Gruppen; innerhalb derselben variiert sie etwas (so stehen z. B. bei den türkischen und serbischen Schüler/innen die allgemeinen Charaktereigenschaften an erster und das Merkmal «hilfsbereit» erst an zweiter Stelle).

«Ein guter Unterricht ist, wenn man etwas Neues lernt» / «… wenn ich es verstehe»

(Simona, 10 J.; Rodolfo, 11 J.)

Die Antworten auf den Satzanfang bzw. Impuls «Unterricht ist für mich gut, wenn …» verteilen sich auf fünf Bereiche resp. Kriterien mit 0–4 Unterkategorien:

Anz. Nennungen
Kriterium Lerneffizienz («wenn ich etwas Neues lerne») 35
(30w / 5m)
Kriterium methodisch- didaktische Apekte (mit 4 Unterkategorien) 35
(27w / 8m)
Kriterium Unterrichts-/Klassenklima (2 Unterkategorien) 17
(12w / 5m)
Kriterium pädagogische Aspekte *) (2 Unterkategorien) 13
(9w / 4m)
Kriterium soziale Aspekte (Freunde treffen, Pause etc.) 6
(3w / 3m)

*) Beim Kriterium «pädagogische Aspekte» finden sich oft analoge Nennungen wie beim Impuls «ein guter Lehrer ist …»

Mit Abstand am häufigsten genannt (35x) wird die Lerneffizienz («dass ich etwas [Neues] lerne»), wenn es darum geht, guten Unterricht zu charakterisieren. Mit deutlich weniger Nennungen (je 13) folgen «wenn es interessant/cool ist» und «wenn wir auch Spaß haben, wenn ich mich wohl fühle, wenn die Stimmung gut ist». An dritter Stelle kommt die Nennung «wenn wir Spiele machen»; von den 10 diesbezüglichen Nennungen entfallen 8 auf Kinder der Unterstufe. Auf Rang 4 folgen mit je 8 Nennungen der pädagogische Aspekt «wenn der Lehrer alles gut erklärt» und das Kriterium «abwechslungsreicher Unterricht».

Auch hier gibt es geringfügige Unterschiede zwischen den Sprachgruppen; so steht etwa bei den türkischen Schüler/innen das Kriterium «abwechslungsreicher Unterricht» und «Spiele machen» an erster und die Lerneffizienz erst an zweiter Stelle.

«Sie [die HSU-Lehrperson] muss vorbildlich sein, also keinen Seich [Blödsinn] machen»

(Demet, 11 J.)

Der Impuls «Zum Begriff ‹Lehrer/Lehrerin› oder ‹lehrerhaft› fällt mir ein …» war weniger ergiebig als die ersten beiden Impulse. Die Nennungen wurden hier vier Bereichen mit je 1–5 Unterbereichen zugeordnet:

Anz. Nennungen
Charakterliche Aspekte der Lehrperson (3 Unterkategorien) 19
(13w / 6m)
Assoziationen zur pädagogischen Haltung der Lehrperson 4
(2w / 2m)
Professionalitätsbezogene, method.-didakt. Aspekte (2 Unterkategorien) 17
(12w / 5m)
Diverse Assoziationen (5 Unterkategorien) 53
(38w / 15m)

Die am häufigsten genannte Assoziation zu «Lehrer/in» ist wenig prägnant: «Schule, Lernen, div. Schulfächer» (24x), gefolgt von «Hausaufgaben, Tests, Kontrolle, Noten» (23x) und «jemand, der uns was beibringen kann» (17x). Interessant ist höchstens, dass beim Bereich «Charakterliche Aspekte» 12 von 19 Nennungen («Vorbild», Respekt» etc.) von der albanischen Gruppe aus dem Kanton Jura stammen. Dies erinnert an die Aussage des 17-jährigen Behar aus Schweden in Kap. 2 B.4, der bis zum Alter von 10 Jahren in Kosova lebte und zur Schule ging: «In Kosova ist die Disziplin viel besser, weil man dort Respekt vor den Lehrern und Lehrerinnen hat. Hier in Schweden gibt es viele eingebildete Schüler, die sich alles herausnehmen (…).» Schlüsse über kulturspezifische Ausprägungen des Respektbegriffs zu ziehen verbietet sich indes natürlich bzw. bedürfte einer deutlich gründlicheren Untersuchung.

«Einen Klassenausflug zum Europapark! Zelten!!» 

(Schüler des albanischen HSU)

Die 29 Blätter mit Antworten auf die Frage nach Kriterien für einen guten HSU (ausgefüllt von albanischen Schüler/innen der Mittel- und Oberstufe aus Zürich) sind im Vergleich zu den oben referierten Fragebögen deutlich stärker auf methodisch-didaktische Aspekte fokussiert. Interessant ist hier zu sehen, wie Unterrichts- und Lernformen, mit denen die Schüler/innen offensichtlich vom regulären Unterricht her vertraut sind, nun auch im HSU eingefordert werden. So fordern jeweils mehrere Schüler/innen mehr Spiele/mehr spielerisches Lernen, mehr Gruppenarbeit, mehr (Gruppen-)Vorträge, Arbeit mit Formen des Schultheaters, weniger didaktische Monokultur («nicht immer das Gleiche machen [nämlich: einen Text lesen und Fragen dazu beantworten]», spannendere Lektionen, Lehrausflüge/Exkursionen/Museumsbesuche, Arbeit am Computer, gemeinsam Filme sehen). Daneben werden ähnliche Punkte wie in den obigen Fragebögen angesprochen: Der Lehrer muss helfen/unterstützen/mehr Zeit für einen haben/strenger sein/mehr Tests machen etc.

Der Lehrer der betreffenden Klassen – ein anerkanntermaßen engagierter und verdienter Pädagoge – zieht das Fazit, dass die Schüler/innen zwar mehr in die Planung einbezogen werden sollten und könnten, dass aber zugleich der beengte Rahmen von zwei Wochenstunden im Mehrklassenunterricht vieles durchaus Wünschbare schlicht nicht zulässt.


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