Ein prioritäres Ziel der interkulturellen, integrativen oder inklusiven Pädagogik ist, dass sich Menschen in plurikulturellen Kontexten orientieren und mit Menschen aus anderen Kulturen vorurteilsfrei und erfolgreich interagieren können. Dabei sollen sie selbstverständlich auch ihre eigene Identität bewahren und ohne Assimilationsdruck entwickeln können.

Die sprachliche Seite von plurikulturellen Gesellschaften ist die Mehrsprachigkeit, wie sie in den Immigrationsländern in jedem Schulhaus, in jeder Klasse Realität ist. Dieser Mehrsprachigkeit mit Interesse und Offenheit zu begegnen und dabei gleichzeitig seine eigene Sprache (bzw. seine eigenen Sprachen und Dialekte) wertzuschätzen und zu pflegen, zählt zu den wichtigen und unverzichtbaren interkulturellen Kompetenzen.

Der herkunftssprachliche Unterricht kann und soll hier einen Beitrag leisten. Selbstverständlich liegt sein Fokus auf der Erstsprache. Dies darf aber nicht bedeuten, dass die Potenziale und Ressourcen, über welche die Schüler/innen sonst noch verfügen, vernachlässigt oder nicht zur Kenntnis genommen werden. (Ebenso wenig darf dies natürlich im Regelunterricht geschehen: Auch er muss diese Potenziale im Sinne der Lerner/innen- und der Lebensweltorientierung aufgreifen und nutzen.)

Die nachfolgenden sieben Vorschläge zeigen einfache Möglichkeiten, wie die Zwei- oder Mehrsprachigkeit der Schüler/innen und die Mehrsprachigkeit der Gesellschaft zu spannenden Unterrichtssequenzen führen können. Diese Projekte sind umso motivierender, als sie auf unmittelbar abruf- und verfügbare Potenziale und Erfahrungen der HSU-Schüler/innen zurückgreifen. Vielfach verbinden sich mit ihnen auch kreative Gestaltungsmöglichkeiten. Und nicht zuletzt können gerade im Vergleich mit anderen Sprachen oft auch Eigenheiten und Besonderheiten der eigenen Sprache besonders gut erkennbar gemacht werden. Welche Teilkompetenz jeweils im Vordergrund steht (Wahrnehmungs-, Reflexions-, Handlungskompetenz), zeigt die Übersicht am Schluss des Buches. Die Zuordnungen zu Klassen und Stufen sind weit gefasst; die meisten Projekte lassen sich mit altersgemäßer Anpassung auf verschiedenen Stufen realisieren.

Ein wichtiger Hinweis zum Schluss: Hinsichtlich der Erstsprache steht im HSU die Förderung der literalen Kompetenzen im Vordergrund (Vermittlung der Standardsprache und des Lesens und Schreibens in derselben). Dies ist plausibel, weil viele Schüler/innen die Erstsprache im Elternhaus nur im Dialekt und bisweilen nur mit einem sehr beschränkten Wortschatz praktizieren. Bei den Sprachenprojekten im vorliegenden Kapitel sollen allerdings unbedingt auch die Dialekte (in der Erstsprache und in jener des Einwanderungslandes) einbezogen werden, desgleichen auch gruppenspezifische Codes oder Formen des Sprachgebrauchs.


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