Kinder und Jugendliche wachsen in den Einwanderungsländern (und auch sonst vielerorts) in kulturell und sprachlich sehr heterogenen Kontexten auf. Diese Vielfalt zeigt sich vor allem im lebensweltlichen Kontext der Schule, wo es kaum mehr eine Klasse gibt, in der nicht mehrere Sprachen und Kulturen vertreten sind und wo der Anteil der Schüler/innen mit Migrationshintergrund nicht bei 30, 40, 50 oder mehr Prozent liegt. Eine Ausnahme im institutionellen Kontext der Schule stellen die Klassen des herkunftssprachlichen Unterrichts (HSU) dar. Auch hier gibt es zwar dialektale und z. T. nationale Unterschiede (z. B. Arabischsprachige aus verschiedenen arabischen Ländern), aber trotzdem können wir von einem arabischen, türkischen, albanischen HSU sprechen.

Eine zentrale Aufgabe der Schule ist es, Kinder und Jugendliche auf das Leben in der Gesellschaft vorzubereiten. In unserem Falle heißt dies: auf das Leben in einer plurikulturellen, mehrsprachigen Gesellschaft. Diese Aufgabe gilt für den regulären Schulunterricht ebenso wie für den HSU. Dabei wird der reguläre Schulunterricht, in Übereinstimmung mit dem Lehrplan, eher Inhalte und Themen in Zusammenhang mit dem Einwanderungsland vermitteln, der HSU eher solche, die a) mit dem Herkunftsland, seiner Kultur und Sprache und b) mit dem Leben im Einwanderungsland zusammenhängen.

Beide aber müssen, um ihrer Aufgabe gerecht zu werden, aktiv zum Aufbau einer Reihe von Kompetenzen beitragen, die für das Leben in plurikulturellen, mehrsprachigen Gesellschaften unerlässlich sind. Dazu zählen beispielsweise Konfliktfähigkeit und Toleranz, Interesse und Akzeptanz (statt Ablehnung) gegenüber anderen Kulturen und Lebensweisen und die Bereitschaft, eigene Werte, Normen und Rollenvorstellungen zu überdenken.

Für Kinder und Jugendliche aus zugewanderten Familien kommt ein weiterer wichtiger Aspekt der interkulturellen Kompetenz dazu: die Orientierung in und zwischen der Kultur des Herkunfts- und derjenigen des Einwanderungslandes. Aus dem Spannungsfeld zwischen den Kulturen und ihren teilweise unterschiedlichen Norm- und Wertvorstellungen können beträchtliche und der Entwicklung hinderliche Konflikte resultieren. Die HSU-Lehrer/innen können diesbezüglich umso wertvollere Beiträge liefern, als sie mit beiden kulturellen Kontexten oft besser vertraut sind als die regulären Lehrkräfte. Wie diese Beiträge des HSU in sechs verschiedenen Themenfeldern (siehe unten) aussehen könnten, zeigen die Unterrichtsvorschläge in diesem Heft. Wenn deren Umsetzung, Anpassung und Erweiterung zu spannenden, anregenden und lehrreichen Lektionen führt, ist das Ziel des Hefts erreicht.


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