1. Einleitung

HSU-Lehrer/innen arbeiten in einem Umfeld, auf das sie von ihrer primären Ausbildung im Herkunftsland her meist nicht vorbereitet sind. Dass Weiterbildung für sie damit ein zentrales Anliegen ist, steht außer Frage; vergleiche hierzu auch die Aussagen im Praxisteils dieses Kapitels. Die Inhalte, um die es dabei geht, variieren je nach Arbeits- und Aufenthaltsdauer im Einwanderungsland. Zu Beginn der Arbeit stehen sicher elementare Kenntnisse der Spezifik des HSU und des lokalen Schulsystems, innerhalb dessen dieser stattfindet, im Zentrum. Später dürfte es um vertiefte inhaltlich-fachliche Auseinandersetzungen mit Kolleg/innen, um den Erwerb vertiefter methodisch-didaktischer Kenntnisse und um Möglichkeiten der Kooperation mit dem regulären Unterricht gehen. Eine vorläufige Krönung können die Fortbildungsbedürfnisse dort erfahren, wo ein zusätzliches Zertifikat erworben werden kann, mit dem die HSU-Lehrer/innen den einheimischen Lehrpersonen anstellungsmäßig gleichgestellt werden.

Weiter- und Fortbildungsangebote werden von mindestens zwei Seiten her gemacht (vgl. auch Kap. 1 und Calderon et al., 2013, S. 90):

  • a) von Institutionen des Herkunftslandes
    (Konsulate, Bildungsministerien, Eltern- und Lehrervereine etc.).
    Beispiele: Die von den Bildungsministerien von Kosova und Albanien gemeinsam organisierten jährlichen Sommerseminare der albanischen HSU-Lehrer/innen aus ganz Europa (siehe unten); die vom albanischen Lehrer- und Elternverband in der Schweiz organisierten Fortbildungsseminare zu den neuen HSU-Lehrmitteln.
  • b) von Institutionen des Einwanderungs-landes
    (öffentliche Institutionen wie Bildungsdirektionen, Pädagogische Hochschulen, Universitäten etc.; private Institutionen wie Sprachschulen, Volkshochschulen etc.).
    Beispiele: Die obligatorischen Einführungskurse ins kantonale Schulsystem, wie sie manche Schweizer Kantone anbieten; die HSU-spezifischen Fortbildungskurse diverser Pädagogischer Hochschulen und Universitäten; die regulären, auch für HSU-Lehrer/innen zugänglichen Angebote der lokalen Lehrer/innenfortbildung; der österreichische Lehrgang «Muttersprachlicher Unterricht: Erstsprachen unterrichten im Kontext von Migration» (siehe unten); Sprach- und Integrationskurse diverser privater Anbieter.

Im Gegensatz zu den vom Herkunftsland angebotenen Kursen sind bei den Angeboten des Einwanderungslandes in aller Regel gute Kenntnisse der dortigen Landessprache unerlässlich. Dies kann den Zugang für manche HSU-Lehrer/innen stark erschweren. Neben dem Besuch eigentlicher Sprachkurse hat sich in Zürich ein Modell bewährt, bei dem Deutschkenntnisse parallel zur Vermittlung von schulrelevanten Inhalten erworben werden.

Das Ausmaß, in dem Fortbildungsangebote bestehen – insbesondere, wenn es um spezifische Angebote für HSU-Lehrpersonen geht –, variiert von Land zu Land (bzw. von Bundesland zu Bundesland und von Kanton zu Kanton); vgl. hierzu auch die Aussagen in Kap. 14 B. Während etwa in Hamburg für HSU-Lehrer/innen ein breites Angebot und eine Fortbildungspflicht von 30 Stunden pro Jahr bestehen (vgl. Kap. 1 A.4), findet sich anderswo (z. B. in einigen Schweizer Kantonen) überhaupt nichts.

Aus der reichen Palette der Angebote wählen wir im Folgenden zwei Beispiele aus: das obligatorische Modul «Einführung ins Zürcher Schulsystem» als Muster einer soliden Unterstützung für den Berufseinstieg (vgl. Kap. 14 A.3) und den österreichischen Lehrgang «Muttersprachlicher Unterricht: Erstsprachen unterrichten im Kontext von Migration» als Muster eines umfangreichen, wissenschaftlich begleiteten Zertifikatslehrgangs (14 A.4). An den Anfang stellen wir als Beispiel eines von einem Herkunftsland organisierten Fortbildungsangebots das Programm des 10. Sommerseminars der albanischen HSU-Lehrer/innen (14 A.2).


2. Ein Weiterbildungsangebot seitens des Herkunftslandes: Programm des 10. Sommerseminars für albanische HSU-Lehrer/innen, Berat/Albanien, 29.07.–1.08.2014

Vorbemerkung:

Seit zehn Jahren organisieren die Bildungsministerien von Kosova und Albanien drei- bis viertägige Fortbildungsseminare für die Lehrer/innen des albanischen HSU in ganz Europa. Die Seminare finden abwechselnd in Kosova, Albanien und den albanischsprachigen Teilen von Makedonien und Montenegro statt. Sie werden von durchschnittlich 130–150 HSU-Lehrer/innen besucht. Teilnahme, Unterkunft und Verpflegung sind finanziert. Zu den Besonderheiten dieser Seminare zählt, dass die Referate, Workshops etc. in gleichwertiger Weise von Wissenschafter/innen aus dem albanischen Sprachraum (z. B. von Expert/innen der Universitäten Tirana oder Prishtina) und von praktizierenden Lehrer/innen des albanischen HSU in ganz Europa geleitet werden. Jedes Jahr werden zudem Expert/innen im Bereich der interkulturellen Pädagogik aus den Einwanderungsländern als Referent/innen und Teilnehmer/innen eingeladen.

Neben der fachlichen Fortbildung und dem wertvollen Austausch über die Ländergrenzen hinweg erfüllen die Seminare auch wichtige gesellschaftliche und integrative Funktionen.

Programm des viertägigen Seminars in Berat (Albanien):

1. Tag
29. Juli 2014 (Universität Berat)
14–17 h

Eröffnung des Seminars: Darbietungen von Schüler/innen aus Berat

Begrüßungsworte: 

  • Eine HSU-Lehrerin aus Griechenland
  • Bildungsminister Albanien und Kosova oder deren Stellvertreter
  • Bürgermeister von Berat
 17–21 h

Programmüberblick: Input: Der albanische HSU und seine aktuellen Entwicklungsperspektiven (N. Gashi, B. Arbana)

Pause: dann Debatte und offene Diskussion

Anschließend: Gemeinsames Nachtessen und kulturelle Darbietungen (Buchpräsentationen etc.)

 

2. Tag
30. Juli 2014
(Plenarsaal der Uni Berat)
09–13 h
Referate und Video-Inputs: 

  • Die Vereinheitlichung der Lehrpläne von Albanien und Kosova (G. Janaqi)/li>
  • Die Entwicklung des historischen Bewusstseins in den Familien
    (L. Qoshi)
  • Das kulturelle Erbe anhand der traditionellen Spiele kennenlernen (B. Avdia)
  • Dokumentarfilm
    «Vera – Lehrerin zweier Inseln» (A. Melonashi, A. Ashiku)
  • Kaffeepause
  • Videodokumentation:
    Der Lehrausflug und seine Effekte (K. Çallaku)
  • Spielerisches Lernen am Beispiel von Würfelspielen (R. Hamiti)
13–17 h – Mittagessen und Siesta
17–22 h
Gesellschaftliche und kulturelle Angebote: 

  • Stadt- und Museumsbesuche etc.
  • Gemeinsames Nachtessen und kulturelle Darbietungen (Buchpräsentationen etc.)

 

3. Tag
31. Juli 2014 (Plenarsaal und diverse Räume der Uni Berat)
09–11 h
Referate und Video-Inputs:

  • Unterricht als «exakte Tätigkeit» und unser Beitrag dazu
    (F. Tafilaku)
  • Übersetzen und kommunizieren in der Migration (D. Kajtazi)
  • Präsentation der Monografie zum albanischen HSU in Thessaloniki (D. Zace)
  • Kaffeepause
11–12.30 h
Workshops zur freien Wahl:

  • Heterogene Klassen und die Arbeit mit ihnen (N. Mehmetaj)
  • Der Albanischunterricht an den Wiener Gymnasien und einige damit verbundene Probleme
    (I. Arapi)
  • Verschiedene Unterrichtsstile, ihre Unterschiede und Qualitäten
    (Y. Spahiu)
  • Die Arbeit an historischen Themen zur albanischen Geschichte
    (F. Xhemalaj)
12.30–15 h – Mittagessen und Siesta
15–22 h
Gesellschaftliche und kulturelle Angebote:

  • Ausflug zum Berg Tomorr oder zu den Canyons und Wasserfällen von
    Osum
  • Nachtessen

 

4. Tag
1. August 2014 (Plenarsaal der Uni Berat)
9–11 h
Referate:

  • Zur Entwicklung der Lesekompetenz in der Erstsprache (E. Koleci)
  • Das Fach «Albanische Sprache» in den Lehrplänen von Kosova (R. Gjoshi)
  • Die Monografie «Albaner/innen
    in der Schweiz», Fokus albanischer HSU (R. Rifati)
  • Kaffeepause
11–12 h
Workshops zur freien Wahl:

  • Möglichkeiten der fächerübergrei- fenden Arbeit im albanischen HSU (A. Tahiri)
  • Eine Musterlektion zur albanischen Sprache in der ersten Klasse
    (K. Gjoka)
  • Zwei konkrete Vorgehensweisen, um das Leseverständnis im Bereich literarische und Sachtexte zu för- dern (R. Sheqiri)
12–15 h

Formeller Abschluss des 10. Seminars: Verteilung der Teilnahmebestätigungen

Anschließend: Gemeinsames
Mittagessen und Heimfahrt

3. Das Modul «Einführung ins Zürcher Schulsystem» der Pädagogischen Hochschule Zürich

Vorbemerkung:

Der Besuch dieses mehrteiligen Moduls mit insgesamt 42 Lektionen ist (neben dem Nachweis einer abgeschlossenen Lehrer/innenausbildung oder einer äquivalenten Qualifikation und ausreichenden Deutschkenntnissen) eine der obligatorischen Voraussetzungen für die Zulassung als HSU-Lehrer/in im Kanton Zürich. Wer noch nicht über hinlängliche Deutschkenntnisse verfügt (Niveau B1), kann ein diesbezügliches Vorbereitungsmodul an der PH Zürich besuchen.

Montag
05. Januar 2015 
08.30–12 h
Einstieg:

  • Information zur Modulorganisation
  • Vorstellungsrunde

Einführung ins Schulsystem des Kantons Zürich:

  • Rechtliche und strukturelle Aspekte
Mittagspause
13.30–17 h
IntroducEinführung ins Schulsystem des
Kantons Zürich:
(Teil II)

  • Organisation der Schule

Auftragserteilung 1:

  • Sich im Schulhaus vorstellen und Schulbesuche

 

Dienstag
06. Januar 2015 
08.30–12 h

Unterstützungsangebote für S mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen

Institutionen rund um die Schule

Mittagspause
13.30–17 h
Einführung in den Rahmenlehrplan HSK:

  • Funktion und Bedeutung

Erst-, Zweit- und Fremdsprache:

  • Grundlagen der Zweitsprachdidaktik
  • Konzepte und Modelle der Mehrsprachigkeit

Auftragserteilung 2:

  • Organisation des gegenseitigen
    Unterrichtsbesuchs

 

Mittwoch
04. März 2015 
08.30–12 h
HSK-Unterricht im Migrationskontext: (HSK = HSU)

  • Bezug zu den Lebenswelten
  • Interkulturelles Lernen

Das Programm QUIMS:

  • Fil Film: Schulerfolg für alle
Mittagspause
13.30–17 h
Unterrichtsplanung Mehrsprachigkeits-
projekte im Unterricht

  • Beispiele

Auftragserteilung 3:

  • Unterrichtseinheit planen, durchführen, reflektieren

 

Donnerstag
05. März 2015 
08.30–12 h
Erfahrungsaustausch und Auswertung zu
Auftrag 1:

  • Sich im Schulhaus vorstellen und Schulbesuche

Einblick in den Schulalltag einer Schulleiterin (Idil Calis)

Mittagspause
13.30–17 h

Einblick in die Unterrichtspraxis einer HSK-LP (Jun-Hi)

Lehrmittel im HSK-Unterricht:

  • Marktplatz

 

Donnerstag
21. Mai 2015 
08.30–12 h
Erfahrungsaustausch und Auswertung zu Auftrag 3:

  • Unterrichtseinheit planen, durchführen, reflektieren
  • Merkmale von guter Planung unter Einbezug des Rahmen- lehrplans HSK
Mittagspause
13.30–17 h
Einführung in die Notengebung und Beurteilung im HSK-Unterricht

  • Schulisches Standortgespräch
  • Beurteilung von sprachlichen Leistungen

 

Freitag
22. Mai 2015 
08.30–12 h
Erfahrungsaustausch und Auswertung zu Auftrag 2:

  • Gegenseitiger Unterrichtsbesuch
  • Merkmale von gutem Unterricht

Einblick in die Unterrichtspraxis einer Regelklassen-LP

Mittagspause
13.30–17 h

Zusammenfassung der Schwerpunkte und Klärung offe- ner Fragen

Evaluation
Abschluss


4. Der bundesweite Lehrgang «Muttersprachlicher Unterricht: Erstsprachen unterrichten im Kontext von Migration» der Pädagogischen Hochschule Wien


4.1 Der muttersprachliche Unterricht in Österreich: Einige Eckdaten

Der muttersprachliche Unterricht ist seit 1992 Teil des österreichischen Regelschulwesens. Anders als in zahlreichen anderen europäischen Staaten – etwa der Schweiz – beruht dieser Unterricht in Österreich nicht auf bilateralen Abkommen mit den Herkunftsländern und wird auch nicht an Migrantenvereine delegiert.

Indem Österreich die Verantwortung für die schulische Förderung der Erstsprachen der Schüler/innen übernimmt, wird ein deutliches Zeichen gesetzt. Die Botschaft lautet: Das Bekenntnis zur lebensweltlichen Mehrsprachigkeit ist ein bildungspolitisches Anliegen. Die Sprachen der Lernenden haben Platz in der Schule und sollen sich dort entfalten dürfen.

Die muttersprachlichen Lehrer/innen werden – wie alle anderen Lehrkräfte auch – von österreichischen Schulbehörden angestellt und bezahlt und unterliegen der Qualitätskontrolle durch österreichische Schulaufsichtsorgane. Schulbücher und andere Unterrichtsmaterialien werden ebenfalls unentgeltlich zur Verfügung gestellt.

    • Zielgruppe

Als Teilnehmer/innen am muttersprachlichen Unterricht kommen alle Schüler/innen, die im Familienverband eine andere Sprache als Deutsch verwenden, bzw. Kinder, die zweisprachig aufwachsen, in Betracht – ungeachtet von Staatsbürgerschaft, Geburtsland, Deutschkompetenz und Dauer des Schulbesuchs in Österreich. In den letzten Jahren wird dieses Angebot zunehmend von familiär bilingualen Kindern in Anspruch genommen.

      • Lehrpläne für den muttersprachlichen Unterricht

Derzeit existieren drei sprachneutrale Lehrpläne, d. h. Lehrpläne, die sich auf alle Sprachen anwenden lassen, was den Vorteil hat, dass bei der Einführung einer neuen Sprache bereits auf die bestehenden Lehrpläne zurückgegriffen werden kann:


  • Grundstufe (1.–4. Schuljahr)

  • Sekundarstufe I (5.–8. Schuljahr) und Polytechnische Schulen

  • Oberstufe der allgemeinbildenden höheren Schulen (9.–12. Schuljahr)

An berufsbildenden mittleren und höheren Schulen ist die Einrichtung von muttersprachlichen Kursen zwar im Rahmen der Schulautonomie möglich, jedoch wird in der Praxis nicht davon Gebrauch gemacht. Es steht interessierten Schüler/innen allerdings frei, etwa an einem AHS-Kurs teilzunehmen, falls noch Plätze zur Verfügung stehen (AHS = allgemeinbildende höhere Schulen).

        • Schulrechtliche Grundlagen und Organisationsrahmen

Der Unterricht wird an der Grundstufe als unverbindliche Übung (freiwillige Teilnahme ohne Benotung), ab der Sekundarstufe I als Freigegenstand (freiwillige Teilnahme mit Benotung) oder ebenfalls als unverbindliche Übung angeboten.

Der muttersprachliche Unterricht kann additiv in Kursform (etwa nach der letzten Unterrichtstunde bzw. am Nachmittag) oder integrativ im Team-Teaching angeboten werden. Das bedeutet, dass die muttersprachliche Lehrkraft gemeinsam mit der/dem Klassen- oder Fachlehrer/in unterrichtet und das jeweilige Unterrichtsthema in der Sprache der betreffenden Schüler/innen bearbeitet.

Für die Kursform ist eine bestimmte Mindestteilnehmerzahl vonnöten, wobei auch klassen-, schulstufen-, schul- und schulartenübergreifende Gruppen eingerichtet werden können, was insbesondere weniger verbreiteten Sprachen zugutekommt.

          • Lehrer/innen

Die Mehrheit der Lehrkräfte, die im muttersprachlichen Unterricht eingesetzt sind, hat ihre Erstausbildung im Herkunftsland absolviert, wobei die erworbenen Qualifikationen äußerst unterschiedlich sind. Einige haben ein Studium für ein bestimmtes Fach für die Sekundarstufe I abgeschlossen, sind aber an einer Grundschule tätig, andere können etwa eine mathematisch-naturwissenschaftliche Ausbildung, aber kein Sprachstudium nachweisen, wieder andere sind (in Österreich oder im Ausland) ausgebildete Dolmetscher/innen, Übersetzer/innen, Sprachwissenschaftler/innen oder Sozialarbeiter/innen.

Da die meisten Lehrkräfte keinen Studienabschluss einer Pädagogischen Hochschule in Österreich vorweisen können, sind sie über Sonderverträge angestellt, was eine dienst- und besoldungsrechtlich schlechtere Einstufung zur Folge hat.


4.2 Der Lehrgang: Entstehungsgeschichte

Im Zuge des «Language Education Policy Profile» wurde Österreich von Expert/innen des Europarats empfohlen, auf «eine adäquate linguistische und fachdidaktische Ausbildung» der muttersprachlichen Lehrkräfte zu achten (vgl. bm:ukk & BM.W_F, 2008, S. 102).

Bezugnehmend auf diese Empfehlung wurde im Jahr 2011 die Pädagogische Hochschule Wien seitens des Bildungsministeriums damit beauftragt, ein Curriculum für einen Lehrgang zur berufsbegleitenden Weiterbildung der muttersprachlichen Lehrer/innen zu entwickeln.

Um Zielgruppenadäquatheit und Qualität dieses Lehrgangs von vornherein sicherzustellen, erhielten alle bereits tätigen muttersprachlichen Lehrer/innen einen Online-Fragebogen, mit dem die bereits vorhandenen Qualifikationen bzw. mögliche fachliche Lücken sowie die von der Zielgruppe als erforderlich erachteten inhaltlichen Schwerpunkte des geplanten Lehrgangs erhoben wurden. Mit der Erstellung und Auswertung des Fragebogens wurde Frau Univ.-Prof. Dr. Brigitta Busch von der Universität Wien im Jahr 2011 beauftragt. Die Ergebnisse dieser Befragung, an der sich über 60 % der angeschriebenen Personen beteiligt hatten, wurden als Orientierungshilfe für die endgültige Erstellung des Curriculums herangezogen.

Gleichzeitig nahm das Bildungsministerium Verhandlungen mit dem Bundeskanzleramt (BKA) und dem Finanzministerium (BMF) auf – mit dem Ziel, die Situation von Sondervertragslehrer/innen zu verbessern. Ergebnis dieser Verhandlungen war eine neue Sondervertragsrichtlinie, die im Oktober 2012 bekanntgegeben wurde und die für viele Betroffene, u. a. auch für die (zukünftigen) Absolvent/innen des Lehrgangs, eine günstigere Einstufung zur Folge hat.


4.3 Zum Lehrgang

Im Studienjahr 2012/13 wurde auf der Grundlage des Curriculums der bundesweite Lehrgang «Muttersprachlicher Unterricht: Erstsprachen unterrichten im Kontext von Migration» an der Pädagogischen Hochschule Wien eingerichtet. Dieser Lehrgang wird mit 30 EC (= Vergabe der European Credits nach dem European Credit Transfer System/ECTS) bewertet. Da dieser Lehrgang als nebenberuflich studierbar konzipiert wurde, finden die insgesamt sechs Module in Wochenblöcken mit der Aufteilung 50% Anwesenheit und 50% Selbststudienanteil statt. Der gesamte Lehrgang kann in vier Semestern absolviert werden.

Der nun folgende Text wurde auszugsweise dem Einreichpapier – gerichtet an die Studienkommission der Pädagogischen Hochschule Wien aus dem Jahr 2012 – entnommen (vgl. Furch & Fleck, 2012):

    • Bildungsziel

Dieser Lehrgang dient der Besserqualifizierung der als muttersprachliche Lehrer/innen eingesetzten Personen in ganz Österreich. Wesentlich erscheint dabei vor allem die Spezialisierung der Teilnehmer/innen in den Bereichen Linguistik, Methodik und Didaktik im Erstsprachenunterricht im Kontext der aktuellen Bildungssituation unter Berücksichtigung einer Vielfalt wissenschaftlicher Theorien, Methoden und Lehrmeinungen.

Ebenso wird die Verantwortung gegenüber der Entwicklung der Gesellschaft im Lehrgang großen Raum einnehmen; die Auseinandersetzung mit aktuellen Veränderungen im Zusammenleben der Menschen in Österreich wird zu einer zeitgemäßen Professionalisierung der Absolvent/innen führen.

Dieser Lehrgang zielt vor allem auf bereits im Schuldienst stehende muttersprachliche Lehrer/innen in ganz Österreich ab. In weiterer Folge wird auch an mehrsprachige Berufseinsteiger/innen als Teilnehmer/innen gedacht, die nach Absolvierung eines Lehramtsstudiums (an einer Pädagogischen Hochschule oder Universität) den Wunsch haben, als muttersprachliche Lehrpersonen für (eine) bestimmte Sprache(n) eingesetzt zu werden.

    • Beitrag zur Schulentwicklung

Eine wesentliche Rolle wird die Mitwirkung der durch den Lehrgang weitergebildeten Lehrpersonen bei der zukünftigen Schulentwicklung an unterschiedlichen Schulstandorten mit überwiegend mehrsprachigen Schüler/innen und Eltern spielen, was durch laufende Selbstevaluierung und durch die wissenschaftlich-berufsfeldbezogene Forschung gewährleistet wird.

Nach Absolvierung dieses Lehrgangs haben die Teilnehmer/innen einen großen Input zur Durchsetzung sozialer Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit erhalten, indem sie fachlich und wissenschaftlich fundiert gelernt haben, manifester Chancenungerechtigkeit besser gegenzusteuern.

    • Überblick über die Inhalte des Lehrgangs

Der Lehrgang befähigt die Teilnehmer/innen


  • zur Reflexion der generellen Situation von mehrsprachigen Schüler/innen mit anderen Erstsprachen als Deutsch;

  • zum Unterricht als muttersprachliche Lehrperson in einer (oder zwei) ausgewählten Sprache(n) für Schüler/innen, die in der Familie und im Alltag (eine) diese(r) Sprache(n) verwenden;

  • zur Betreuung bzw. Beratung von Schüler/innen mit anderen Erstsprachen als Deutsch im schulischen und außerschulischen Bereich;

  • zur Beratung von Lehrer/innen im Umgang mit mehrsprachigen Schüler/innen mit anderen Erstsprachen als Deutsch;

  • zur Selbstreflexion als Unterrichtende/r im muttersprachlichen Unterricht;

  • zur Förderung einer realistischen Selbsteinschätzung der betreuten Schüler/innen in der Auseinandersetzung mit ihrem spezifischen sprachlich-kulturellen Umfeld;

  • mit Eltern, Lehrer/innen, den betroffenen Schüler/innen und einschlägigen außerschulischen Einrichtungen den Dialog bezüglich spezifischer Sprach- und Lernprobleme aufzunehmen.

  • Modulübersicht
M1:

Einführung in die Thematik


M2:

Grundlagenwissen aus Spracherwerbs-forschung, Soziolinguistik und Migrations-forschung


M3:

Sprachdidaktik – Wege zu einem kompetenten Erstsprachenunterricht


M4:

Kommunikation in mehrsprachigen und multikulturellen Settings


M5:

Innovative pädagogische Konzepte unter besonderer Berücksichtigung der Vielsprachigkeit


M6:

Auseinandersetzung mit der Schulrealität


Nähere Angaben und Hinweise zum Gesamtkonzept des Lehrgangs finden sich auf der Website der Pädagogischen Hochschule Wien unter:

http://www.phwien.ac.at/index.php/hochschullehrgaenge-fortbildungsangebot/lehrgaenge


4.4 Ergebnisse und Ausblick

Den ersten Durchgang dieses Lehrgangs haben 22 Lehrer/innen – mehrheitlich für Bosnisch/Kroatisch/Serbisch und Türkisch, aber auch für Albanisch und Persisch – aus mehreren österreichischen Bundesländern erfolgreich abgeschlossen.

Eine wissenschaftliche Begleituntersuchung auf Basis von leitfadengestützten Einzelinterviews mit den Teilnehmer/innen und mit den Verantwortlichen des Lehrgangs hat eine hohe Zufriedenheit mit Inhalt, Ablauf und Zielen ergeben:

«Der Lehrgang stärkte die Teilnehmenden in Hinblick auf die Entwicklung von Diskursfähigkeit basierend auf einer wissenschaftlich fundierten Fachsprache, von Professionsbewusstsein und der Wahrnehmung als Berufsstand, von Kollegialität und Institutionalisierung von kollegialer Beratung, von Differenzfähigkeit und dem Umgang mit Heterogenität, von der Eigenwahrnehmung als mitgestaltende Akteur/innen im Bildungsbetrieb: Diese Beispiele gelten in der Fachliteratur als wesentliche Dimensionen von Professionalität, was die erfolgreiche Umsetzung der Lehrgangsziele bestätigt. Als lernförderlich erwiesen sich das gemeinsame institutionalisierte Lernen, die Relevanz der ausgewählten Lerninhalte, das Arbeitsklima, die Vortragenden, das Fachpersonal und die Lehrgangsleiter/innen.» (Moser, 2013)

Aufgrund der großen Nachfrage wird der Lehrgang seit August 2014 zum zweiten Mal angeboten. Da von über 70 Interessent/innen nur 26 aufgenommen werden konnten, werden weitere Durchgänge angestrebt, sofern es die finanziellen und personellen Ressourcen erlauben.


Literaturhinweise

bm:ukk und BM.W_F (Hrsg.) (2008): Language Education Policy Profile: Länderbericht. Sprach- und Sprachunterrichtspolitik in Österreich: Ist-Stand und Schwerpunkte. Wien.

Calderon, Ruth; Rosita Fibbi; Jasmine Truong (2013): Arbeitssituation und Weiterbildungsbedürfnisse von Lehrpersonen für den Unterricht in heimat- licher Sprache und Kultur. Neuchâtel: rc consulta. Link: http://www.rc-consulta.ch/pdf/HSK-
Erhebung_d_def.pdf

Fortbildungsangebote des National Resource Centre for Supplementary Education (NRCSE) in London. Link: http://www.supplementaryeducation.org.uk

Furch, Elisabeth; Elfie Fleck (2012): Curriculum Lehr- gang «Muttersprachlicher Unterricht: Erstsprachen unterrichten im Kontext von Migration». Link: http://www.phwien.ac.at/files/Mitteilungsblatt_VR/Punkt%204/PH_Wien_LG_Muttersprachlicher_
Unterricht_genehmigt.pdf

Moser, Maria (2013): Endbericht der Begleitforschung zum Lehrgang: «Muttersprachlicher Unterricht: Erstsprachen unterrichten im Kontext von Migration».

vpod Bildungspolitik (2014): Sonderheft Nr. 188/189 «Die Zukunft des Erstsprachunterrichts», Beiträge S. 58 und 61 f.


Inhaltsverzeichnis